Archive for Juni 2010

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Wie fängt man einen Papagei?

18. Juni 2010

Genauer gesagt war es gar kein Papagei, der vorgestern zwischen unserem und dem Nachbargrundstück hin- und herwatschelte und sich an den Pusteblumen gütlich tat, sondern ein Rosellasittich.

Es begann damit, dass wir bei schönstem Wetter im Garten zu Abend aßen, als wir ein merkwürdiges Pfeifen hörten, so ähnlich, als ob jemand versuchen wollte, mit einer Luftpumpe Musik zu machen. Während wir noch rätselten, ob dieses Geräusch von einem Tier stammte oder von einem WM-Fanartikel erzeugt wurde, flog auch schon ein blau-roter Vogel über unsere Köpfe hinweg, was den Hund zu einer aufgeregten Verfolgungsjagd anstachelte. Also erst einmal den Hund einfangen und ins Haus bringen, um dann draußen zu schauen, ob der bunte Vogel noch in der Nähe wäre.

Dieser hatte sich in der Zwischenzeit auf dem Nachbargrundstück niedergelassen und unsere Nachbarn in spe, die sich derzeit in der Endphase ihres Hausbaus befinden, von ihrer Arbeit nach draußen gelockt. Während wir alle erstaunt um ihn herumstanden und mutmaßten, woher er kommen könnte,  fraß der Vogel seelenruhig seine Löwenzahnsamen weiter — besonders scheu war er also nicht.

Also rief ich auf Verdacht bei einem Bekannten im Dorf an, von dem ich wusste, dass er Papageienvögel hält, und fragte ihn, ob er einen vermisse. Dies war zwar nicht der Fall, aber er erbot sich, mit einem Käfig vorbeizukommen und zu versuchen, das Tier einzufangen. Als Fachmann konnte er das Tier auch gleich bestimmen und wusste, dass es mit einfachen Sonnenblumenkernen nicht zu locken war. Kolbenhirse als besonderer Leckerbissen musste her. In einer wohlorganisierten Nachbarschaft ließ sich auch diese besorgen. Während unser Papageienfachmann inzwischen bei einem Jungen aus dem Dorf nachfragte, der selbst Rosellasittiche hält, ob ihm einer fehle, ließ sich der Flüchtige tatsächlich von der Kolbenhirse in den Käfig locken. Um ihn abzulenken, pfiff ich ein möglichst fröhliches Liedchen, damit sich unsere Kleine von der anderen Seite heranschleichen und die Tür schließen konnte.

Alles klappte hervorragend, sodass nur noch die Frage blieb, wohin mit dem Tier. Bei uns konnte er nicht bleiben (auch wenn sich die Kinder sicher gefreut hätten), weil so ein lauter Vogel im Haus den Hund zum Durchdrehen bringen würde. Und wenn sich der Eigentümer nicht finden würde, müsste man mindestens einen Partner und eine Voliere dazukaufen, um die Vögel einigermaßen artgerecht zu halten. Also wurde das Tier erst einmal zu dem Jungen gebracht, von dem wir wussten, dass er Rosellasittiche hält, wo er derzeit am besten aufgehoben ist.

Ob sich der Vorbesitzer jemals findet, ist fraglich. Denn so wie der Sittich daran gewohnt war, sich von Wildsamen zu ernähren, ist davon auszugehen, dass er schon länger auf Wanderschaft war. Außerdem ist das Tier nicht beringt, sodass man die Herkunft auch darüber nicht zurückverfolgen kann.

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Rehbock

1. Juni 2010

Das mittelhochdeutsche Wort für Garten ist „hag“,  was sich heute noch im Wort „Gehege“ wiederfindet, also das eingefriedete Grundstück bedeutet. Nun dienen im Garten, anders bei einem Gehege, die Zäune weniger dazu, jemanden drinnen zu halten, als eher dazu, andere — Tiere oder Menschen — davon abzuhalten, das Grundstück zu betreten. Das Innenliegende soll geschützt werden vor der zerstörerischen Außenwelt.

Warum jetzt dieses sprachlich-philosophische Sinnieren? In den letzten Wochen schon habe ich bemerkt, dass meine Rosen im Garten hinter dem Haus nicht so richtig in Gang kommen. Bei genauerem Hinsehen wurde auch deutlich, warum: Fast alle Neutriebe sind bis zur Hälfte heruntergefressen, ein untrügliches Zeichen für Rehbesuch, da Rosen bei diesen großäugigen Feinschmeckern ganz oben auf der Speisekarte stehen. Und trotz aller Bemühungen ist es mir nicht gelungen, sie davon zu überzeugen, dass mein Garten nicht mehr zu ihrem Territorium gehört.

Dass sich die Tiere mit einer gewissen Dreistigkeit durch die Siedlung bewegen, war mir schon klar; auch dass sie nachts über die Terrasse marschieren, um auch hier an den frischen Rosentrieben zu naschen. Aber dass sie nun auch noch im Garten übernachten und friedlich das zuvor Vertilgte wiederkäuen, um mich dann frühmorgens unschuldig anzuschauen,  das hat mich schon überrascht. Nun rächt es sich, dass wir uns so lange nicht um den Weidezaun gekümmert haben, denn leichte Stromschläge sind das einzige, was sie abhält, will man nicht tatsächlich einen mannshohen Zaun um das gesamte Grundstück ziehen. Über unseren etwa ein Meter hohen Zaun springt so ein Tier aus dem Stand ….